Was hilft bei Schmerzen über der Kniescheibe (Springerknie)?

Du spürst Schmerzen über der Kniescheibe, die dich im Alltag und deinem Sport einschränken und du fragst dich, was du dagegen tun kannst? Dann bist du hier genau richtig, denn diese und viele weitere Fragen klären wir in diesem Artikel!

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Hintergrund

Wenn deine Schmerzen an der oberen Spitze der Kniescheibe sind und der Schmerz abhängig von deinem Aktivitätslevel ist, dann ist in der Regel die Quadrizepssehne betroffen. Man spricht hierbei von einer sogenannten Tendinopathie der Quadrizepssehne. Zu diesem Beschwerdebild wird auch oft Springerknie bzw. auf Englisch Jumpers Knee gesagt.

Ganz kurz zur Anatomie:

Der Quadrizeps besteht aus vier Muskeln. Das gemeinsame Ende dieser Muskeln ist die Quadrizeps-Sehne, welche dann über die Kniescheibe in die Patellasehne übergeht und am Schienbein ansetzt.

Schmerzen über der Kniescheibe - Anatomie
Anatomie des Kniegelenks

Schmerzen über der Kniescheibe – Ursache?

Die einfache Antwort darauf ist, dass du mehr gemacht hast, als deine Quadrizepssehne aktuell toleriert. Also das Volumen, die Intensität oder die Häufigkeit der Belastung waren so hoch, dass sich deine Sehne davon nicht erholen konnte.

Schmerzen über der Kniescheibe - Belastung höher als Kapazität

Ganz wichtig ist, dass eine Entzündung NICHT die Ursache für deine Schmerzen ist, sondern eine normale Reaktion auf eine Überlastung. Außerdem kann es gut sein, dass aktuell bei dir überhaupt keine Entzündung vorliegt!

Warum es so wichtig ist, das zu verstehen, klären wir jetzt!

Schmerzen über der Kniescheibe – was hilft?

Der erste wichtige Punkt, um die Schmerzen über der Kniescheibe wieder in den Griff zu bekommen, ist es, die Ursache zu verstehen. Diesen Punkt haben wir ja gerade abgehakt.

Außerdem ist es wichtig, zu verstehen, wie man mit den Schmerzen umgeht. Da stellt sich natürlich zunächst folgende Frage:

Darf man mit Knieschmerzen trainieren?

Die Antwort auf diese Frage ist, ja!

Eine der führenden Sehnenforscherinnen weltweit “Karin Silbernagel” hat 2007 eine sehr bekannte Studie veröffentlicht, die zeigt, dass es keinerlei Nachteile hat, mit etwas Schmerzen zu trainieren (Silbernagel et al. 2007).

Die Frage ist nur, wie viel Schmerz ist erlaubt?

Das ist von Person zu Person unterschiedlich!

In der Regel sollten die Schmerzen unter 5/10 sein. Bestenfalls unter 3/10. Aber es kann sein, dass es für dich vollkommen okay ist, mit einem Schmerz von 4/10 zu trainieren, während es für eine andere Person komplett undenkbar wäre, über 2/10 zu gehen.

Du musst tatsächlich ausprobieren, was sich für dich gut anfühlt und ob die Schmerzen dich in deinem Alltag einschränken. Wenn du mit einem Schmerz von 4 deinen Alltag problemlos bewältigen kannst, dann spricht in diesem Fall nichts dagegen, dieses Schmerzlevel zu erlauben.

Wichtig ist einfach, dass die Schmerzen im Laufe der Zeit weniger werden. Das solltest du beobachten.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass du deine Schmerzen nicht nur während des Trainings überwachen solltest.

Gerade bei Sehnenbeschwerden findet nämlich häufig ein sogenannter Aufwärmeffekt statt. Das heißt, dass deine Schmerzen weniger werden, wenn du aktiv bist. Vielleicht kennst du das auch, dass deine Schmerzen stärker sind, wenn du dich länger nicht bewegt hast (zum Beispiel morgens nach dem Aufstehen). Das ist ein klassisches Beispiel des Aufwärmeffekts.

Deshalb solltest du deine Schmerzen auch 24 Stunden NACH der Belastung überprüfen.

Beispiel:

Vor dem Training hast du einen Schmerz von 3. Nach dem Training liegt der Schmerz bei 1,5. Am nächsten Morgen nach dem Training liegt der Schmerz bei 6. Das wäre ein Zeichen dafür, dass du im gestrigen Training etwas zu viel gemacht hast (obwohl du ja während des Trainings keine Schmerzen hattest.).

In diesem Fall solltest du beim nächsten Training etwas weniger Übungen machen oder weniger Gewicht benutzen.

Zu Beginn würde ich dir empfehlen, erst mal die provozierenden Aktivitäten zu reduzieren. Wenn wir uns jetzt nochmal die Abbildung von vorhin anschauen, reduzieren wir damit die linke Seite – nämlich die Belastung.

Schmerzen über der Kniescheibe - Belastung niedriger als Kapazität

Aber du kannst diese Belastung dann durch andere Aktivitäten austauschen, welche die Symptome nicht so sehr provozieren (wie zum Beispiel Krafttraining).

Und wie stellst du fest, ob deine Reha funktioniert?

Hier orientieren wir uns an zwei Variablen:

  1. Dein Schmerzlevel
  2. Dein Aktivitätslevel

Wenn deine Schmerzen über der Kniescheibe mit der Zeit weniger werden, obwohl du weiterhin aktiv bist, machst du Fortschritte.

Bitte mach aber nicht den Fehler, den viele Sportler machen.

Viele Sportler pausieren nämlich komplett, wenn sie Schmerzen haben (weil sie Angst haben, durch Aktivität die Schmerzen zu verschlimmern.).

Wenn die Schmerzen dann weg sind, fangen sie wieder an und bekommen direkt wieder Schmerzen.

Das ist nicht nur frustrierend, sondern auch das Aktivitätslevel nimmt auf die Dauer gesehen dadurch ab, weil die Sehne aufgrund der mangelnden Aktivität immer weniger belastbar wird.

Deswegen solltest du dich in deiner Reha bitte nicht nur auf das Schmerzlevel konzentrieren. Ich würde dich sogar dazu einladen, den Fokus mehr auf das Aktivitätslevel zu legen.

Ich gebe dir ein Beispiel:

Ich habe aktuell einen Fußball-Schiedsrichter bei mir im Coaching. Seine Schmerzen haben sich in den letzten 2 Monaten nicht mehr verändert. Aber bevor er zu mir ins Coaching gekommen ist, konnte er kein einziges Spiel mehr pfeifen. Mittlerweile pfeift er jede Woche mindestens ein Spiel und joggt noch 1x pro Woche 45 Minuten.

Wenn ich ihn frage:

“Wenn du dich entscheiden müsstest: Entweder du kannst wieder regelmäßig als Schiedsrichter arbeiten oder dein Schmerzlevel geht auf 0 runter?” Dann ist die Antwort für ihn so offensichtlich, dass er nur noch schmunzelt.

Bitte nicht falsch verstehen – das bedeutet NICHT, dass man immer zwischen Schmerzfreiheit oder Aktivität entscheiden muss! Es soll einfach hervorheben, dass es Schmerz nicht immer im Vordergrund stehen sollte.

Wenn wir diesen dritten Punkt also kurz zusammenfassen wollen: Es ist sinnvoll, weiterhin in der Aktivität zu bleiben und zu verstehen, dass Schmerzen nicht schlimm sind.

Welche Übungen kann man machen?

Letztendlich geht es ja in der Reha wie gesagt darum, erst mal deine Schmerzen auf ein akzeptables Level zu bringen und dann die Quadrizepssehne schrittweise wieder zu belasten.

Deswegen ist die Frage nicht wirklich, WELCHE Übungen du machen kannst, weil du ALLE Übungen machen kannst. Die Frage ist eher: WANN kann man welche Übung machen?

Hierzu hilft eine sehr aktuelle Studie von Song et al., die sich 35 Übungen angeschaut haben und festgehalten haben, wie sehr unter anderem die Quadrizepssehne dabei belastet wird.

Schmerzen über der Kniescheibe - Belastung Quadrizeppssehne bei Übungen
Belastung der Quadrizeppssehne bei Übungen – Song et al. 2023

Wie du anhand der Abbildung sehen kannst, wird die Sehne stärker belastet, wenn man anstatt beidbeinigen Übungen, einbeinige Übungen macht. Außerdem wird die Belastung höher, je schneller der Ablauf der Übung ist, die man macht.

Deshalb ist die logische Schlussfolgerung, dass du am Anfang erst mal mit beidbeinigen Übungen einsteigen solltest. Ich würde sogar isometrischen Übungen anfangen – sowas wie ein Wallsit.

Dann kannst du in langsame, dynamische Bewegungen gehen, die noch nicht im gesamten Bewegungsumfang stattfinden. Dafür kannst du zum Beispiel eine Beinpresse machen, bei der du nicht ganz runtergehst oder eine Kniebeuge auf eine Bank (auch Box Squat genannt).

Fang aber bitte mit einem langsamen Tempo an. Wenn wir beim Kniebeugen-Beispiel bleiben: 3 Sekunden nach unten gehen, 1 Sekunde unten halten und 3 Sekunden hochdrücken. Durch das langsame Tempo wird die Sehne nämlich weniger belastet.

Mit der Zeit solltest du aber natürlich das Tempo der Übungen erhöhen, indem du dich zum Beispiel bei der Kniebeuge richtig schön explosiv nach oben drückst.

Mit der Zeit kannst du gerne mehr Übungen einbauen, die den Fokus auf ein Knie setzen. Hier könntest du Ausfallschritte oder eine einbeinige Leg Extension machen.

Wenn du auch das in einem schnellen Tempo gut tolerierst, geht’s weiter mit Landungen oder Sprüngen. Und zum Schluss hätten wir dann sportartspezifisches Training, wo du wirklich Richtungswechsel etc. übst.

Wie kann ein Trainingsplan aussehen?

Ich würde mir an deiner Stelle 2-3 Übungen raussuchen, die speziell die Quadrizepssehne trainieren. Diese Übungen kannst du dann 2-3 Mal pro Woche machen.

Bei isometrischen Übungen würde ich dir eine Haltezeit von 30 bis 45 Sekunden empfehlen. Bei den Kraftübungen kannst du pro Übung 3 Sätze à 8-12 Wiederholungen machen.

Bei den Sprüngen bzw. Landungen würde ich erst mal niedrig starten mit 3 Sätzen à 3 Wiederholungen und dich dann langsam in der Wiederholungszahl nach oben arbeiten.

Vielleicht hast du ja neben deinen Schmerzen über der Kniescheibe auch ein Knacken oder Knirschen im Knie? Wenn du wissen möchtest, was es damit auf sich hat, dann schau dir jetzt diesen Artikel an.


Literatur

  • Silbernagel, K. G., Thomeé, R., Eriksson, B. I., & Karlsson, J. (2007). Continued sports activity, using a pain-monitoring model, during rehabilitation in patients with Achilles tendinopathy: a randomized controlled study. The American journal of sports medicine35(6), 897–906. https://doi.org/10.1177/0363546506298279
  • Song, K., Scattone Silva, R., Hullfish, T. J., Silbernagel, K. G., & Baxter, J. R. (2023). Patellofemoral Joint Loading Progression Across 35 Weightbearing Rehabilitation Exercises and Activities of Daily Living. The American journal of sports medicine51(8), 2110–2119. https://doi.org/10.1177/03635465231175160

Gino Lazzaro

Gino hat einen Master Abschluss in Sportphysiotherapie. Er arbeitet über seine Firma Perform Perfect intensiv mit Sportler:innen zusammen, die ihre Schmerzen nicht loswerden. Außerdem bildet er in seinem Classroom motivierte Therapeut:innen und Trainer:innen aus.