Die 5 häufigsten Mythen über Röntgen, MRT und CT

Steht bei dir eine Röntgen-, MRT- oder CT-Untersuchung an oder hattest du kürzlich eine? Dann pass jetzt bitte genau auf. In diesem Blog-Artikel werde ich nämlich die 5 häufigsten Mythen über diese bildgebenden Verfahren aufdecken. Ich hoffe, dass du dir dadurch einiges an Zeit, Nerven und Geld sparen kannst.

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Mythos #1: Bildgebende Verfahren, wie Röntgen, zeigen die Ursache von Schmerzen.

Erst mal kurz zur Begriffserklärung: MRT steht für Magnetresonanztomographie, CT steht für Computertomographie und Röntgen für Röntgen. Die Verfahren haben unterschiedliche Stärken und Schwächen – das soll aber nicht Teil dieses Artikels werden.

Lass uns mal ein typisches Beispiel durchsprechen:

Angenommen, du hast seit einer Weile Knieschmerzen, die von alleine nicht besser werden. Langsam fängst du an, dir Sorgen zu machen und entscheidest dich, zu einem Arzt bzw. einer Ärztin zu gehen. Dort wird dir empfohlen, ein MRT Bild machen zu lassen. Du denkst dir: klar, kann ja nicht schaden! Ich meine – man will ja auch wissen, was genau “kaputt” ist, richtig?

Beim MRT kommt dann heraus, dass du einen Meniskusriss und eine Knorpelabnutzung im Knie hast. Was schlussfolgerst du daraus? Logisch – das ist die Ursache für deine Schmerzen.

Tatsächlich ist es aber so, dass diese “Abnormalitäten” zieeeemlich häufig bei Menschen OHNE Symptome auftreten!

Lass uns mal kurz beim Knie Beispiel bleiben. Hier gibt es unter anderem die Studie von Horga et al., die im Jahr 2020 festgestellt haben, dass 97 % der untersuchten Probanden OHNE Knieschmerzen Abnormalitäten im Knie hatten! Da fragt man sich doch, wie abnormal diese Veränderungen wirklich sind.

Mythen Röntgen MRT CT - Horga et al. 2020
Hier sieht man zum Beispiel, dass 30 % der Proband:innen mit asymptomatischen Knien Meniskusrisse hatten!

Hier noch ein paar konkrete Werte:

  • 30 % hatten Meniskusrisse
  • Jede zweite Person hatten Abnormalitäten am Knorpel
  • Etwa 30 % hatten sogar starke Knorpelschäden
  • Und etwa 20 % hatten moderate Schäden an der Patella- oder Quadrizepssehne

Diese Studie ist jetzt wirklich kein Einzelfall.

Ganz bekannte andere Studien, wären die von Brinjikji et al. in Bezug auf die Wirbelsäule oder Barreto et al. in Bezug auf die Schulter.

Genau aus diesem Grund sprechen moderne Therapeuten und Forscher mittlerweile von normalen, altersbedingten Veränderungen, anstatt von schwerwiegenden abnormalen Pathologien.

An dieser Stelle noch ein frei übersetztes Zitat von den Jungs von E3 Rehab das mir sehr gut gefallen hat:


“Generell gilt bei der Bildgebung, wenn du nach einer Verbindung suchst, wirst du sie wahrscheinlich finden.”

E3 Rehab

Mythos #2: Bildgebung sagt deine Ergebnisse voraus.

Je schlimmer das Röntgen, CT oder MRT Bild aussieht, desto länger dauert die Reha, richtig? Nicht unbedingt.

Ein klassisches Beispiel wären Bandscheibenvorfälle oder starke Nervenkompressionen, was zahlreiche Studien, wie auch die von Karppinen et al. bestätigen. Es kann also sein, dass du dich mit einem massiven Bandscheibenvorfall doppelt so schnell erholst, als jemand, der nur eine Vorwölbung der Bandscheibe hat.

Das gilt aber auch für Dinge wie Arthrose, wo man eben nicht sagen kann: “Ohje deine Knochen reiben echt stark aneinander und da gibt es schon richtig große knöcherne Anbauten. Das sieht gar nicht gut aus.”

Es kann sehr gut sein, dass genau diese Person gar keine Schmerzen oder Funktionsverlust hat (Hunter & Bierma-Zeinstra 2019). Daher kannst du solche Aussagen von Therapeuten, Ärztinnen etc. ruhig sehr kritisch betrachten und nicht allzu ernst nehmen.

Damit hängt auch Mythos 3 direkt zusammen.

Mythos #3: Wenn du das Bild korrigierst, behebst du den Schmerz.

Wir haben ja jetzt schon mal geklärt, dass bildgebende Verfahren meistens nur ein Teil des großen Gesamtbildes sind. Trotzdem ergibt es ja irgendwie Sinn zu sagen: wenn man die Abnormalitäten, die man festgestellt hat, z. B. durch Operationen loswird, dann müssten doch die Schmerzen weniger werden, richtig? So einfach ist es oft leider nicht.

Auch hier gibt es wieder ganz viele Studien, die das belegen. Lass uns aber einfach mal eine nehmen. Und zwar konnten O’Connor et al. feststellen, dass Operationen bei bestimmten Meniskusrissen – ich zitiere:


„Arthroskopische Operationen bieten wenig oder keinen Nutzen in Bezug auf Schmerzen oder Funktion, keine Vorteile in Bezug auf die knie-spezifische Lebensqualität und erzielen im Vergleich zu einer Placebobehandlung keinen besseren Behandlungserfolg.“

O’Connor et al. 2022

Mythos #4: Bildgebung bestimmt die Rehabilitation.

Das ist auch ein super wichtiger Punkt. Wir können nicht anhand von einem Röntgenbild zum Beispiel bestimmen, wie die Therapie der Person aussehen soll.
Warum? Weil wir Menschen eben deutlich komplexer sind als eine Maschine, bei der man einfach nur die Mängel oder Macken beheben muss.

Wir müssen den Mensch immer im Kontext betrachten, in dem er sich befindet. Angenommen du und dein Arbeitskollege habt aktuell Rückenschmerzen und bei beiden von euch wurde ein Bandscheibenvorfall auf der Höhe L5/S1 festgestellt.

Dein Kollege ist jedoch das kompleeeette Gegenteil von dir. Er raucht, schläft nur 6 Stunden pro Nacht, ernährt sich total ungesund, ist super inaktiv und hat durch den Befund jetzt total Angst den Rücken zu belasten. Du hingegen ernährst dich super gesund, bist körperlich sehr aktiv und hast überhaupt keine Bedenken deinen Rücken wieder zu belasten.

Dass eure Reha nicht gleich aussehen kann und soll, ist denke ich klar geworden. Bitte identifiziere dich also nicht mit deinem MRT, Röntgen oder CT Bild. Sonst entstehen daraus gerne Glaubenssätze wie:

  • “Mein Knie sieht aus, wie bei einem 70-jährigen. Damit kann ich definitiv kein Fußball mehr spielen.”
  • “Ich habe einen Bandscheibenvorfall in der Lendenwirbelsäule. Schwer heben, werde ich bestimmt nicht mehr können.”

Mittlerweile denkst du dir wahrscheinlich, dass bildgebende Verfahren komplett unnötig sind. Das ist aber auch nicht richtig. Daher lautet Mythos Nummer 5.

Mythos #5: Bildgebung ist nie wichtig.

Es gibt durchaus Situationen, in denen ein bildgebendes Verfahren enorm hilfreich ist, den etwaigen Behandlungsverlauf vorhersagen kann und die folgende Therapie stark beeinflussen kann.

Beispiele wären Dinge wie Knochenbrüche oder Dingen, welche die inneren Organe betreffen (also Tumore, Herz-, Lungen-, Gehirn-, Lebererkrankungen etc.).

Bei Beschwerden am Gelenkapparat wissen wir jedoch, dass unangemessen viel bildgebende Verfahren gemacht werden, was:

  • massive Kosten für das Gesundheitssystem verursacht
  • zu unnötigen Behandlungen führt
  • und unter Umständen sogar die Therapieerfolge verschlechtern kann (Shraim et al.)

Weißt du, was übrigens auch ein rieeesen Mythos ist? Das ganze Thema Faszientraining bzw. -therapie. Wenn du da auf dem neusten Stand sein möchtest, dann lies dir jetzt diesen Artikel durch.


Literatur

  • Barreto, R. P. G., Braman, J. P., Ludewig, P. M., Ribeiro, L. P., & Camargo, P. R. (2019). Bilateral magnetic resonance imaging findings in individuals with unilateral shoulder pain. Journal of shoulder and elbow surgery28(9), 1699–1706. https://doi.org/10.1016/j.jse.2019.04.001
  • Brinjikji, W., Luetmer, P. H., Comstock, B., Bresnahan, B. W., Chen, L. E., Deyo, R. A., Halabi, S., Turner, J. A., Avins, A. L., James, K., Wald, J. T., Kallmes, D. F., & Jarvik, J. G. (2015). Systematic literature review of imaging features of spinal degeneration in asymptomatic populations. AJNR. American journal of neuroradiology36(4), 811–816. https://doi.org/10.3174/ajnr.A4173
  • Horga, L. M., Hirschmann, A. C., Henckel, J., Fotiadou, A., Di Laura, A., Torlasco, C., D’Silva, A., Sharma, S., Moon, J. C., & Hart, A. J. (2020). Prevalence of abnormal findings in 230 knees of asymptomatic adults using 3.0 T MRI. Skeletal radiology49(7), 1099–1107. https://doi.org/10.1007/s00256-020-03394-z
  • Hunter, D. J., & Bierma-Zeinstra, S. (2019). Osteoarthritis. Lancet (London, England)393(10182), 1745–1759. https://doi.org/10.1016/S0140-6736(19)30417-9
  • Karppinen, J., Malmivaara, A., Tervonen, O., Pääkkö, E., Kurunlahti, M., Syrjälä, P., Vasari, P., & Vanharanta, H. (2001). Severity of symptoms and signs in relation to magnetic resonance imaging findings among sciatic patients. Spine26(7), E149–E154. https://doi.org/10.1097/00007632-200104010-00015
  • O’Connor, D., Johnston, R. V., Brignardello-Petersen, R., Poolman, R. W., Cyril, S., Vandvik, P. O., & Buchbinder, R. (2022). Arthroscopic surgery for degenerative knee disease (osteoarthritis including degenerative meniscal tears). The Cochrane database of systematic reviews3(3), CD014328. https://doi.org/10.1002/14651858.CD014328
  • Shraim, B. A., Shraim, M. A., Ibrahim, A. R., Elgamal, M. E., Al-Omari, B., & Shraim, M. (2021). The association between early MRI and length of disability in acute lower back pain: a systematic review and narrative synthesis. BMC musculoskeletal disorders22(1), 983. https://doi.org/10.1186/s12891-021-04863-9

Gino Lazzaro

Gino hat einen Master Abschluss in Sportphysiotherapie. Er arbeitet über seine Firma Perform Perfect intensiv mit Sportler:innen zusammen, die ihre Schmerzen nicht loswerden. Außerdem bildet er in seinem Classroom motivierte Therapeut:innen und Trainer:innen aus.