Plantarfasziitis Behandlung (wissenschaftlich überprüft!)

Wie sieht eine wissenschaftlich geprüfte Plantarfasziitis Behandlung aus? Leidest du auch unter diesen fiesen, stechenden Schmerzen in der Ferse nach längerem Stehen, Gehen oder auch nach dem Joggen? Genau das schauen wir uns in diesem Artikel an.

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Ist eine Plantarfasziitis eine Entzündung?

Warum stelle ich die Frage überhaupt? Weil Plantarfasziitis dem Namen abgeleitet nach eigentlich eine Entzündung sein müsste, weil in der Medizin alles was auf “itis” endet eine Entzündung ist.

Mittlerweile wissen wir jedoch, dass eine Entzündung bei der Plantarfasziitis nicht der primäre Treiber der Schmerzen ist, weshalb mittlerweile eher von einer Plantarfasziopathie oder von Plantarem Fersenschmerz gesprochen wird. Das ist aus dem Grund so wichtig zu wissen, ob es eine Entzündung ist oder nicht, weil viele Leute bei einer Entzündung pausieren, Kälteanwendungen machen und entzündungshemmende Medikamente nehmen. Doch all diese drei genannten Therapiemethoden werden nicht empfohlen.

Bist du betroffen?

Eine Plantarfasziopathie ist relativ häufig. Etwa eine von zehn Personen bekommt sie im Laufe des Lebens. Typischerweise bekommt man die Schmerzen direkt nach dem Aufstehen oder wenn man einfach länger nichts gemacht hat und dann sich wieder anfängt zu bewegen. Die Schmerzen werden in der Regel weniger, wenn man sich ein bisschen bewegt hat. Längeres Stehen oder Gehen oder schnelle Belastungen, also sowas wie Joggen, lösen die Schmerzen aus und in der Regel werden die Schmerzen im Laufe des Tages schlimmer.

Es gibt zwei komplett unterschiedliche Personentypen, die diese Plantarfasziopathie in der Regel bekommen. Auf der einen Seite hätten wir die sportlich sehr aktiven Leute, in der Regel Läufer:innen, und auf der anderen Seite hätten wir die sportlich komplett inaktiven Leute, die in der Regel auch einen erhöhten BMI haben.

Also wenn du dich bei einigen der Punkte angesprochen fühlst, die ich gerade eben genannt habe, also die Verteilung des Krankheitsbildes und was die Probleme verursacht, dann kann es sehr gut sein, dass du von einer Plantarfasziopathie betroffen bist. Aber keine Sorge, was du dagegen machen kannst, klären wir gleich. Jetzt kommen wir erstmal zu Punkt Nummer 3 und zwar:

Was ist die Ursache?

Viele denken, dass ein Fersensporn die Ursache für diese Schmerzen ist und den sieht man eben auch so schön auf dem Röntgenbild.

Plantarfasziitis Behandlung - Fersensporn

Diese Annahme scheint aber falsch zu sein. Das zeigt zum Beispiel die Studie von Hansen et al. aus dem Jahr 2018. Die haben sich nämlich über 5 bis 15 Jahre, also einen wirklich sehr langen Zeitraum, Leute angeschaut, die die Diagnose Plantarfasziitis bekommen haben.

Überraschung, sie konnten feststellen, dass ganz, ganz viele Leute ohne Schmerzen einen Fersensporn hatten. Dass ein Fersensporn also nicht klar mit den Schmerzen einer Plantarfasziopathie zusammenhängt.

Die tatsächliche Ursache dieser Problematik scheint eher ein schlechtes Belastungsmanagement zu sein. Damit meine ich, dass das Volumen, die Intensität, die Häufigkeit, die Dauer der Belastung aktuell oder schon über einen längeren Zeitraum höher sind als die Kapazität der Plantarfaszie.

Plantarfasziitis Behandlung – welche Therapiemethoden gibt es?

Fangen wir erstmal an mit Foamrolling oder Faszientherapie. Das kannst du sehr gerne machen, wenn es dir gut tut und deine Schmerzen lindert. An der Plantarfaszie wirst du dadurch aber nichts verändern. Hier gibt es die sehr bekannte Studie aus dem Jahr 2008. Ich werde dir mal kurz ein Zitat daraus vorlesen.

“Unsere Berechnungen zeigen, dass die dichten Gewebe der Plantarfaszie und der Fascia Lata sehr große Kräfte benötigen – weit außerhalb des Bereichs, den Menschen normalerweise erreichen, um diese auch nur 1 % zu verformen”.

Chaudhry et al. 2008

Weiter geht es mit Einlagen bzw. angepasstem Schuhwerk. Da kannst du sehr gerne was machen, zum Beispiel so Dinge wie Fersenerhöhungen oder Einlagen verwenden, um dadurch die Plantarfaszie etwas zu entlasten. Ganz wichtig, das machst du natürlich nicht für immer, aber gerade für die kurzfristige Symptomreduktion kann man diese Dinge verwenden.

Was das Schuhwerk angeht, kannst du dir merken, dass je mehr Unterstützung dir der Schuh gibt, desto weniger muss deine Plantarfaszie arbeiten.

Desto weniger Unterstützung dir der Schuh gibt, als Beispiel der Barfußschuh, desto mehr muss deine Plantarfaszie arbeiten. Wenn du dich an gerade eben erinnerst, was die Ursache der Plantarfasziopathie ist, dass also die aktuelle Belastung zu hoch ist. Dann könnte es sinnvoll sein, von einem Barfußschuh eine Zeit lang umzusteigen auf einen mehr unterstützten Schuh, damit die Plantarfaszie etwas weniger Belastung hat, wenn du gehst oder stehst.

Weiter geht es mit Kinesio-Tape, das wird dir auch sehr gerne empfohlen und gemacht. Aus der aktuellen Studienlage geht hervor, dass Kinesio-Tape nicht über den Placebo-Effekt hinaus hilft, auch nicht bei einer Plantarfasziopathie. Fairerweise muss man aber sagen, dass die Studienlage hier ziemlich dünn ist. Es gibt die Studie von Carmo Silva Parreira et al. aus dem Jahr 2014. Das ist eine Übersichtsarbeit, aber da war nur eine Studie dabei, die sich spezifisch Taping für die Plantarfaszie angeschaut hat.

Dadurch, dass die Studienlage hier sehr dünn ist, kann ich keinen starken Standpunkt einnehmen. Probier es aus, wenn es dir hilft, kannst du es machen, wenn nicht, spar dir das Geld.

Ich würde mich viel eher auf Dinge konzentrieren, die wirklich nachgewiesenermaßen und langfristig helfen und dazu kommen wir jetzt.

Was hilft wirklich langfristig?

Langfristig musst du schauen, dass die Kapazität, also die Belastbarkeit der Plantarfaszie zumindest genauso hoch, aber viel lieber noch deutlich größer ist, als die Belastungen der Plantarfaszie.

Das kannst du dadurch erreichen, dass du die Belastung reduzierst und oder deine Kapazität erhöhst. Die Belastung der Plantarfaszie durchs Gehen kannst du super gut durch den Schrittzähler auf deinem Handy oder an deiner Sportuhr überprüfen, wenn du eine hast.

Ein ganz wichtiges Prinzip, was du dir hier merken solltest, was das Belastungsmanagement angeht, ist die 24-Stunden-Regel. Deine Schmerzen sollten während und 24 Stunden nach der Belastung nicht höher als 5 von 10 sein. Noch besser wäre es sogar, wenn sie zwischen 0 bis 2 von 10 wären. Wenn du aktuell schon Schmerzen über 5 von 10 hast, dann würde ich schauen, dass du deine Belastung wirklich möglichst runterfährst.

Ich finde diese 24-Stunden-Regel auch so wichtig, weil man daraus ziehen kann, dass es nicht schlimm ist, wenn du während oder nach dem Training Schmerzen hast.

So, das war jetzt der Punkt Belastung, aber wir können auch die Kapazität der Plantarfaszie erhöhen, und zwar, indem wir Krafttraining machen.

Welche Übungen kann man machen?

Die ersten Übungen, die ich anspreche, sind zur Symptomreduktion, also das ist noch keine Kraftübung. Danach gehen wir ein paar Kraftübungen durch.

Zur akuten Schmerzlinderung empfehlen Studien, dass du die Plantarfaszie dehnen solltest. Einfach wie in der Abbildung das Sprunggelenk in die Streckung bringen und dann ganz wichtig, insbesondere den großen Zeh in die Streckung mobilisieren.

Plantarfasziitis Behandlung - Dehnübung zur Schmerzlinderung

Ansonsten kannst du die Plantarfaszie natürlich auch ausrollen, wie ich vorhin schon erwähnt hatte. Zur Schmerzlinderung vollkommen in Ordnung, wenn es bei dir hilft. Oder auch Dinge wie Toga, also Yoga für die Zehen machen.

Zum langfristigen Aufbau der Kapazität der Plantarfaszie wird Wadenheben klar in der Literatur empfohlen, zum Beispiel durch die Studien von Rathleff et al. aus dem Jahr 2014 oder Riel et al. (2019). Hier kannst du zum Beispiel mit beidbeinigem Wadenheben auf dem Boden anfangen, dann einbeiniges Wadenheben vom Boden, dann beidbeinig auf einem Stepper oder auf einer Stufe, danach einbeinig auf dem Stepper oder der Stufe, danach beidbeinig mit Zusatzgewicht und als letztes einbeinig mit Zusatzgewicht.

Plantarfasziitis Behandlung - Progression Wadenheben
Variationen des Wadenhebens zur Plantarfasziitis Behandlung

Hier würde ich dir sehr empfehlen, dass du dir pro Wiederholung viel Zeit lässt, nach dem Motto Heavy Slow Resistance Training. Wirklich so drei bis fünf Sekunden auf dem Weg nach oben und drei bis fünf Sekunden auf dem Weg nach unten. Dieses langsame Bewegungstempo wird bei Tendinopathien sehr, sehr oft gemacht und erzielt super Ergebnisse.

Mittlerweile wissen wir ja auch, dass wir die Plantarfasziopathie eher als Tendinopathie betrachten sollten. Deswegen ist das Prinzip in dem Fall super geeignet.

Die beste Übung bei einer Plantarfasziitis zeige ich dir übrigens in diesem Artikel.


Literatur

  • Chaudhry, H., Schleip, R., Ji, Z., Bukiet, B., Maney, M., & Findley, T. (2008). Three-dimensional mathematical model for deformation of human fasciae in manual therapy. The Journal of the American Osteopathic Association108(8), 379–390. https://doi.org/10.7556/jaoa.2008.108.8.379
  • Hansen, L., Krogh, T. P., Ellingsen, T., Bolvig, L., & Fredberg, U. (2018). Long-Term Prognosis of Plantar Fasciitis: A 5- to 15-Year Follow-up Study of 174 Patients With Ultrasound Examination. Orthopaedic journal of sports medicine6(3), 2325967118757983. https://doi.org/10.1177/2325967118757983
  • Parreira, P.doC., Costa, L.daC., Hespanhol, L. C., Jr, Lopes, A. D., & Costa, L. O. (2014). Current evidence does not support the use of Kinesio Taping in clinical practice: a systematic review. Journal of physiotherapy60(1), 31–39. https://doi.org/10.1016/j.jphys.2013.12.008
  • Rathleff, M. S., Mølgaard, C. M., Fredberg, U., Kaalund, S., Andersen, K. B., Jensen, T. T., Aaskov, S., & Olesen, J. L. (2015). High-load strength training improves outcome in patients with plantar fasciitis: A randomized controlled trial with 12-month follow-up. Scandinavian journal of medicine & science in sports25(3), e292–e300. https://doi.org/10.1111/sms.12313
  • Riel, H., Cotchett, M., Delahunt, E., Rathleff, M. S., Vicenzino, B., Weir, A., & Landorf, K. B. (2017). Is ‘plantar heel pain’ a more appropriate term than ‘plantar fasciitis’? Time to move on. British journal of sports medicine51(22), 1576–1577. https://doi.org/10.1136/bjsports-2017-097519
  • Riel, H., Jensen, M. B., Olesen, J. L., Vicenzino, B., & Rathleff, M. S. (2019). Self-dosed and pre-determined progressive heavy-slow resistance training have similar effects in people with plantar fasciopathy: a randomised trial. Journal of physiotherapy65(3), 144–151. https://doi.org/10.1016/j.jphys.2019.05.011

Gino Lazzaro

Gino hat einen Master Abschluss in Sportphysiotherapie. Er arbeitet über seine Firma Perform Perfect intensiv mit Sportler:innen zusammen, die ihre Schmerzen nicht loswerden. Außerdem bildet er in seinem Classroom motivierte Therapeut:innen und Trainer:innen aus.