Schmerzen Patellasehne – Ursache, Diagnostik und Übungen

Kennst du das auch? Dieser stechende Schmerz direkt unter der Kniescheibe (Schmerzen Patellasehne) beim Treppensteigen oder nach dem Sport – zum Beispiel nach dem Joggen oder Radfahren? Das könnte deine Patellasehne sein! In diesem Artikel erkläre ich dir alles, was du wissen musst, um die Schmerzen wieder loszuwerden. Falls sich deine Schmerzen oberhalb der Kniescheibe befinden, dann schau dir diesen Artikel an.

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Anatomischer Hintergrund

Die Patellasehne ist das erweiterte Ende des Quadrizeps (welcher aus vier Muskeln besteht). Die vier Anteile des Quadrizeps laufen als Quadrizepssehne in die Kniescheibe.

Schmerzen Patellasehne - Anatomie des M. Quadriceps
Anatomie des M. Quadriceps

Von der Kniescheibe verläuft dann die Patellasehne bis zum Schienbein. Die Hauptaufgabe dieser Muskelgruppe ist die Kniestreckung.

Schmerzen Patellasehne – Diagnose

Es gibt zwei wichtige Merkmale, die für eine Patellatendinopathie sprechen:

1. Belastungsbedingte Schmerzen und Funktionsverlust der Patellasehne.

Die Schmerzen sind dabei in der Regel an der Patellaspitze, weshalb auch oft Patellaspitzensyndrom gesagt wird. In dem Fall würde ich erwarten, dass eine einbeinige Kniebeuge mehr schmerzt als eine zweibeinige Kniebeuge. Ich würde auch erwarten, dass ein Sprung mit beiden Beinen mehr schmerzt als eine Kniebeuge mit beiden Beinen.

2. Punktueller Schmerz.

Bei einem punktuellen Patellasehnenschmerz kannst du genau auf den Schmerzpunkt zeigen.

Daneben gibt es noch andere Merkmale, wie zum Beispiel eine Morgensteifigkeit der Sehne, die jedoch nicht IMMER und bei jeder betroffenen Person auftreten.

Ziel der Rehabilitation

Das Ziel der Rehabilitation hat zwei Aspekte:

  1. Deine Toleranz gegenüber verschiedenen Belastungen zu verbessern.
  2. Die Funktion des Kniestreckmechanismus, der restlichen Bewegungskette und deine allgemeine Funktionsfähigkeit, wiederherzustellen.

Viele Maßnahmen zielen darauf ab, die Struktur der Patellasehne zu verändern, aber denk daran, dass diese sogenannten Abnormalitäten eigentlich ziemlich normal sind.

Eine Studie von Van Ark et al. aus dem Jahr 2018 hat herausgefunden, dass Personen mit einer Patellasehnen-Pathologie eine Verbesserung der Symptome durch ein Trainingsprogramm erzielten, obwohl auf den Bildern keine signifikanten Veränderungen in der Sehnenstruktur zu sehen waren.

Schmerzen Patellasehne - Studie Verbesserung der Symptome ohne Veränderung des MRT Bilds
Studie von Van Ark et al. 2018

Wie deine Sehne auf den Bildern aussieht, ist wahrscheinlich irrelevant für den Rehabilitationsprozess. Wenn deine Sehne verdickt aussieht oder sich so anfühlt, ist das wahrscheinlich sogar etwas Gutes. Docking et al. (2020) haben herausgefunden, dass abnormale Patellasehnen ähnliche oder sogar größere Mengen an “normaler” Sehnenstruktur enthalten (als einen Ausgleichsmechanismus, um das Gewebegleichgewicht zu erhalten).

Verständnis & Überwachung von Schmerzen

Ein weiterer grundlegender Bestandteil der Rehabilitation ist das Verständnis und die Überwachung von Schmerzen. Solltest du Schmerzen bei der Übung vermeiden oder ist es sicher, ein wenig Schmerz zuzulassen?

Silbernagel et al. haben 2007 ein Modell beschrieben, das bis heute sehr gerne verwendet wird. Hier geht es um folgende drei Fragen, die du dir stellen solltest:

1. Ist mein Schmerz während des Trainings erträglich?

Das ist natürlich total subjektiv und individuell. Du musst dich damit gut fühlen. Der Schmerz sollte auf einer Skala von 0-10 jedoch nicht höher als 5 von 10 sein.

2. Ist mein Schmerz nach dem Training besser, schlimmer oder gleich?

Bei einer Patellatendinopathie gibt es, so wie bei einer Achillessehnentendinopathie, nicht selten einen sogenannten Aufwärmeffekt. Das bedeutet, dass die Schmerzen weniger werden, wenn du aktiv bist und die Sehne belastet wird.

3. Ist mein Schmerz am Tag nach dem Training besser, schlimmer oder gleich?

Das ist tatsächlich die wichtigste Frage, weil sie uns zeigt, wie du auf die vorherige Belastung reagiert hast. Wenn du dich während des Trainings und unmittelbar danach gut fühlst, aber am nächsten Tag eine deutliche Verschlechterung der Symptome hast, ist das ein Zeichen dafür, dass du zu viel gemacht hast und ein wenig zurückfahren solltest.

Deine Schmerzen kannst du entweder einfach bei Alltagsaktivitäten überprüfen oder durch einen Provokationstest, wie z. B. einen einbeinigen Countermovement Jump. Liegen deine Schmerzen über 5/10 hast du vermutlich zu viel gemacht (was nicht heißt, dass du etwas beschädigt hast) und solltest die Belastung etwas zurückschrauben.

Wichtig ist jedoch, dass du die Reha nicht ausschließlich von deinen Schmerzen leiten lässt. Dazu müssen wir uns mal das Thema Belastungsmanagement genauer anschauen.

Belastungsmanagement & Anpassung der Aktivitäten

Es wird angenommen, dass eine Patellatendinopathie entsteht, wenn die Intensität, Häufigkeit und das Volumen der Belastung der Patellarsehne deine Fähigkeit zur Erholung und entsprechenden Anpassung übersteigen. Sehr häufig liegt es daran, dass man einfach zu schnell zu viel gemacht hat.

Oft ist es so, und vielleicht fühlst du dich hier angesprochen, dass man mehr Sport macht oder die alltägliche Belastung eine Zeit lang höher ist und die Schmerzen an der Patellasehne dadurch mehr werden. Dann entschließt man sich dazu, die Belastung zu reduzieren, was die Symptome langsam verbessert.

Leider sinkt in der Wartezeit jedoch die Belastbarkeit der Sehne und der umliegenden Strukturen. Dadurch kommen die Schmerzen nach einem Wiedereinstieg in die Belastung meist wieder zurück. Die Schmerzen bleiben somit ähnlich, die Belastbarkeit nimmt jedoch immer weiter ab.

Sich nur nach dem Schmerzlevel zu richten, ist also nicht der richtige Ansatz bei einer Patellatendinopathie. Ich finde, dass es hier wichtig ist, eine realistische Zeitspanne zu kennen. Die Rehabilitation kann 3 Monate, 6 Monate oder sogar ein Jahr oder länger dauern.

Dabei werden die Symptome täglich oder wöchentlich schwanken, weshalb dein Fokus auf der Funktion liegen sollte, während du den Schmerz überwachst, um die angemessene Menge an körperlicher Aktivität zu leiten. Es kann nämlich sehr gut sein, dass deine Leistungsfähigkeit besser wird, aber dein Schmerzlevel erst mal gleich bleibt. Angenommen du kannst aktuell nur 1 km am Stück gehen bis du einen Schmerz von 3/10 spürst und in 3 Monaten kannst du 3 km laufen, bis du dieses Schmerzlevel erreichst. Dann war das ein großer Fortschritt.

Also konzentrier dich in der Reha auf deine Funktion bzw. die Aktivitäten, die du erreichen willst und überwache deine Schmerzen, wie ich es vorhin beschrieben habe.

Schmerzen Patellasehne – Übungen

1. Isometrisches Training

Die meisten Protokolle bei Tendinopathien beginnen mit isometrischen Übungen. Warum? Weil sie eine schmerzlindernde Wirkung haben können und normalerweise gut verträglich sind, weil keine Bewegung stattfindet (Clifford et al. 2020).

  • Double Leg Wall Sit
  • Single Leg Wall Sit
  • Spanish Squat
  • Single Leg Seated Knee Extension
    • Knie zwischen 90 und 60 Grad beugen.
    • Geht auch mit einem Band.

3-5 Sätze pro Übung mit einer Haltezeit von 30-45 Sekunden eignen sich hier sehr gut.

2. Heavy Slow Resistance Training

Sehnen werden mehr durch die Geschwindigkeit der Bewegung als durch die Last beansprucht. Daher steht das sogenannte Heavy Slow Resistance Training bei Tendinopathien hoch im Kurs. Wir bewegen dabei relativ hohe Lasten bei einem sehr langsamen Bewegungstempo.

Hier ein paar Übungen, die du langsam steigern kannst:

  • Squat
  • Split Squat
  • Single Leg Seated Knee Extension

Was die Sätze und Wiederholungen angeht, kannst du auch hier 3-5 Sätze pro Übung mit 6-15 Wiederholungen machen.

Wichtig ist, dass du ein langsames Bewegungstempo wählst. Bei einer Kniebeuge z. B. solltest du dich 3 Sekunden herablassen, 1 Sekunde unten halten und dann wieder 3 Sekunden hochkommen. Dazu kannst du gerne auch eine Metronom-App verwenden, wenn es dich nicht nervt.

Das Gewicht ist in diesem Fall wirklich zweitrangig, was unter anderem die aktuelle Studie von Agergaard et al. (2021) zeigt. Viel wichtiger ist, dass du konstant im Training bleibst und dich schrittweise steigerst.

3. Plyometrisches Training

Gaaaanz wichtig. Hier sollte die Reha nicht aufhören. Sehnen müssen natürlich auch schnell arbeiten können. Diese Belastungsform trainieren wir hier in der dritten Stufe.

  • Box Jump
  • Counter Movement Jump
  • Landing 2 Legs
  • Depth Jump

Hier kannst du auch 3-5 Sätze pro Übung à 6-15 Wiederholungen machen. Dadurch, dass die Übungen sehr anspruchsvoll für die Sehne sind, würde ich erst mit weniger Wiederholungen und Sätzen anfangen und mich dann hocharbeiten.

4. Return to Sport

Wenn du einen Sport ausübst, der schnelle, intensive Belastungen der Patellasehne verlangt, solltest du diese 4. Stufe noch machen.

Hier kann ich dir aber keine spezifischen Übungen vorstellen. Es geht einfach darum, dass du deine Sportart langsam wieder startest und in kleinen Schritten steigerst.

Du willst mehr?

Noch weitere Infos zu Sehnenschmerzen im Unterkörper (inklusive Übungsvideos und Übungsprogressionen) findest du im Sehnen Schmerz Guide, den ich gemeinsam mit Sehnenexperte Nils Heim geschrieben habe.


Literatur

  • Agergaard, A. S., Svensson, R. B., Malmgaard-Clausen, N. M., Couppé, C., Hjortshoej, M. H., Doessing, S., Kjaer, M., & Magnusson, S. P. (2021). Clinical Outcomes, Structure, and Function Improve With Both Heavy and Moderate Loads in the Treatment of Patellar Tendinopathy: A Randomized Clinical Trial. The American journal of sports medicine49(4), 982–993. https://doi.org/10.1177/0363546520988741 
  • Clifford, C., Challoumas, D., Paul, L., Syme, G., & Millar, N. L. (2020). Effectiveness of isometric exercise in the management of tendinopathy: a systematic review and meta-analysis of randomised trials. BMJ open sport & exercise medicine6(1), e000760. https://doi.org/10.1136/bmjsem-2020-000760
  • Docking, S. I., & Cook, J. (2018). Imaging and its role in tendinopathy: current evidence and the need for guidelines. Current Radiology Reports6, 1-3.
  • Docking, S. I., Girdwood, M. A., Cook, J., Fortington, L. V., & Rio, E. (2020). Reduced Levels of Aligned Fibrillar Structure Are Not Associated With Achilles and Patellar Tendon Symptoms. Clinical journal of sport medicine : official journal of the Canadian Academy of Sport Medicine30(6), 550–555. https://doi.org/10.1097/JSM.0000000000000644 
  • Hannington, M., Docking, S., Cook, J., Edwards, S., & Rio, E. (2020). Self-reported jumpers’ knee is common in elite basketball athletes – But is it all patellar tendinopathy?. Physical therapy in sport : official journal of the Association of Chartered Physiotherapists in Sports Medicine43, 58–64. https://doi.org/10.1016/j.ptsp.2020.01.012 
  • Scott, A., Squier, K., Alfredson, H., Bahr, R., Cook, J. L., Coombes, B., de Vos, R. J., Fu, S. N., Grimaldi, A., Lewis, J. S., Maffulli, N., Magnusson, S. P., Malliaras, P., Mc Auliffe, S., Oei, E. H. G., Purdam, C. R., Rees, J. D., Rio, E. K., Gravare Silbernagel, K., Speed, C., … Zwerver, J. (2020). ICON 2019: International Scientific Tendinopathy Symposium Consensus: Clinical Terminology. British journal of sports medicine54(5), 260–262. https://doi.org/10.1136/bjsports-2019-100885
  • Silbernagel, K. G., Thomeé, R., Eriksson, B. I., & Karlsson, J. (2007). Continued sports activity, using a pain-monitoring model, during rehabilitation in patients with Achilles tendinopathy: a randomized controlled study. The American journal of sports medicine35(6), 897–906. https://doi.org/10.1177/0363546506298279
  • Van Ark, M., Rio, E., Cook, J., van den Akker-Scheek, I., Gaida, J. E., Zwerver, J., & Docking, S. (2018). Clinical Improvements Are Not Explained by Changes in Tendon Structure on Ultrasound Tissue Characterization After an Exercise Program for Patellar Tendinopathy. American journal of physical medicine & rehabilitation97(10), 708–714. https://doi.org/10.1097/PHM.0000000000000951

Gino Lazzaro

Gino hat einen Master Abschluss in Sportphysiotherapie. Er arbeitet über seine Firma Perform Perfect intensiv mit Sportler:innen zusammen, die ihre Schmerzen nicht loswerden. Außerdem bildet er in seinem Classroom motivierte Therapeut:innen und Trainer:innen aus.